Ich wurde im Februar 1965 in Plau am See geboren. Die ersten Lebensjahre verbrachte ich in Meyenburg. Zumeist saß ich nackt im Sandkasten vor einem wundervollen Backsteinhaus mit riesigem Steingarten. Meine Mutter arbeitete als Ärztin in der Ambulanz nebenan, mein Vater in der LPG im Nachbardorf. Dem alten Schäfer, der oben im Haus wohnte, verdanke ich meinen ersten Berufswunsch. Der Kindergarten war im Schloß Meyenburg untergebracht. Eigentlich beobachtete ich den ganzen Tag die vielen Storchenpaare, die das Dach des Schlosses bewohnten und den Platz mit ihrem Klappern beschallten.
Noch vor meiner Einschulung zogen wir nach Woldegk. Auf dem Balkon unserer Neubauwohnung bauten im Sommer Mehlschwalben ihre Nester. Im Zentrum der piefigen Kleinstadt befand sich der „Heldenhain“, in dem die Namen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges auf großen Steinen zwischen Baumriesen standen. Alles Militärische war mir seitdem suspekt. Mein Vater war ein passionierter Tierfotograf und nahm mich oft zur nächtlichen Pirsch mit. Ich konnte wochenlang einen Dachsbau beobachten und erlebte wütende Wildschweinrotten und Rehkitze, die sich ins Unterholz drücken. Bis heute vermisse ich die duftenden Laubwälder Mecklenburgs und betrachte Kiefern allenfalls als Baumersatz. Als Fünftklässler geriet ich in Woldegk zum ersten Mal mit dem Unterdrückungsapparat der DDR in Konflikt, als ich mit Kreide „Frau Dieben ist doof“ an die mittelalterliche Stadtmauer schrieb. Zwar bekam ich den ersten Tadel, aber eigentlich wussten alle, dass ich recht hatte.
Nach der Scheidung meiner Eltern zog ich mit meiner Mutter und beiden Schwestern in die Neubrandenburger Oststadt. In dieser Zeit las ich ungeheure Mengen an Büchern und entdeckte die russische Literatur. 1979 zogen wir mit dem zweiten Mann meiner Mutter nach Kleinmachnow. Hier bekam ich zum ersten Mal ein eigenes Zimmer. Ich war fasziniert von der aufkommenden Umweltbewegung. Die Entstehung der Partei Die Grünen, die Anti-AKW-Bewegung und die DDR-Friedensbewegung Schwerter zu Pflugscharen wurden prägende Einflüsse.
Nach dem Schulabschluss begann ich eine Lehre als Werkzeugmacher. Die Entscheidung fiel, als die Schule drängelte, dass ich mich endlich um eine Lehrstelle kümmern soll und mein bester Freund am nächsten Tag seine Bewerbungsunterlagen im VEB Elektronische Bauelemente „Carl-von-Ossietzky“ abgeben wollte. Ich gab ihm meine schnell zusammengeklierte Bewerbung einfach mit und wurde für diesen Fehler mit einem Arbeitsplatz an der Fräsmaschine bestraft.
Die nächsten Jahre verbrachte ich bei Dynamo-Dresden-Spielen und Freygang-Konzerten. Ich entdeckte Heiner Pudelko und Bertolt Brecht. Außer- dem übernahm ich als Fußballübungsleiter meine erste Kindermannschaft bei der BSG electronic Teltow. Bei jeder Diskussion über aktuelle politische Themen war ich immer mittendrin. Es machte mir einfach auch Spaß, Stasi- und Parteifunktionäre in Verlegenheit zu bringen. Ich werde die großen Augen des Pförtners im Stasi-Gefängnis in der Lindenstraße nie vergessen, als ich da als 17-jähriger an die Blechtür klopfte und fragte, ob ich mal mit Ihnen über die Entwicklung des Sozialismus in der DDR reden kann, weil ich mir Sorgen mache.
1983 wurde ich zu einer Haftstrafe verurteilt, weil ich in meiner Betriebsschule rührende selbstgemachte Gedichte angebracht hatte, in denen ich den Wehrdienst in der NVA und das DDR-Wahlsystem kritisierte. Meine acht Monate saß ich in der Potsdamer Lindenstraße und in Naumburg ab. Dann beendete ich meine Lehre und bezog meine erste eigene Wohnung am Schlaatz.
Für ein Zimmer mit Küche und Bad inkl. Fernheizung und Warmwasser musste ich 46,65 Ostmark monatlich bezahlen. Obwohl die DDR in der Pro-Kopf-Telefonversorgung hinter Bangladesch lag, bekam ich ein eigenes Telefon. Später erzählte mir jemand, dass die Stasi das irgendwie befördert hatte, um mich abhören zu können.
Eigentlich hatte ich ständig Probleme mit der Betriebsparteileitung, mit meinem Schichtleiter und mit den Sicherheitsbehörden. Einmal wurde ich von der Stasi aus der Betriebsschule abgeholt, weil ich im ganzen April eine rote Fahne aus meinem Fenster im 12. Stock gehangen und sie am 1. Mai reingeholt hatte. Ich habe mich dann noch beim Politbüro beschwert, dass ein Arbeiter sich im Arbeiterstaat dafür rechtfertigen muss, dass er die Arbeiterfahne raushängt. Obwohl die Stasi mir die Übersiedlung in die BRD ausdrücklich anbot, entschied ich mich, in der DDR zu bleiben und ich habe das auch nie bereut.
In der Wendezeit gehörte ich zu den Mitgründern der Grünen Partei in Potsdam und arbeitete bis 1993 als Landesgeschäftsführer in der Potsdamer Lindenstraße. In dieser Zeit traf ich Leute, die ich zuvor nur aus dem Fernsehen kannte. Meist war ich von diesen Begegnungen maßlos enttäuscht. Als z.B. der Länderrat der Grünen 1992 in Potsdam tagte, schlugen wir vor, die Teilnehmer*innen im russischen Hotel (einer schlechteren aber billigen Jugendherberge) in der Behlertstraße unterzubringen und das eingesparte Geld an den grünen Solifonds zu geben. Aus Angst, nicht im Hotelbett schlafen zu können, buchten grüne Promis panisch Übernachtungen in Berlin. Diese Anekdote war ziemlich typisch für die kulturellen und politischen Unterschiede zwischen Ost- und Westgrünen. Als dann die Vereinigung der Grünen mit dem Bündnis 90 bevorstand, erklärte ich meinen Austritt. Für mich gehörten diese Ex-Bürgerrechtler in die FDP oder CDU – und inzwischen sind ja viele von ihnen tatsächlich in der CDU gelandet.
1992 gründete ich die Potsdamer Kampagne gegen Wehrpflicht, Zwangsdienste und Militär mit. Eigentlich waren wir rund um die Uhr unterwegs, um gegen Bundeswehrveranstaltungen zu protestieren oder Wehrdienstverweigerer zu unterstützen. In Potsdam gab es in den 90er Jahren jede Menge Leben, Kultur und Experimente. Die Hausbesetzerszene hat das politische Klima der Stadt ganz entscheidend geprägt. Ich war aktiv in vielen lokalen Initiativen – in Hausprojekten, in einem Dritte-Welt-Laden oder am Runden Tisch Polizeirecht. Parallel studierte ich in homöopathischen Dosen Jura an der Uni Potsdam.
1997 heiratete ich in Donezk und legte den Brautstrauß nach Landessitte am örtlichen Lenin-Monument ab. Das konnte zwar weder die Idee des Sozialismus noch die Ehe mit meiner Frau dauerhaft sichern. Aber mit beiden verstehe ich mich bis heute ganz gut. 2005 eröffnete ich mit einem Bekannten die Stadtteilkneipe Nowawes, die sich auch nach meinem Ausscheiden 2010 prächtig entwickelt hat und heute ein wichtiger Treffpunkt in Babelsberg ist.
In den letzten Jahren habe ich mich besonders in der Potsdamer Mietenstoppgruppe und für die Bürgerbegehren Kein Ausverkauf der Potsdamer Mitte und Für die Auflösung der Stiftung Garnisonkirche Potsdam engagiert. Derzeit bin ich halbtags als Geschäftsführer der Fraktion DIE aNDERE angestellt. Außerdem beziehe ich eine monatliche Opferpension für meine Stasihaftzeit. Dadurch habe ich etwas mehr Zeit für einige Ehrenämter, die mir wichtig sind.
Ich bin im Vereinsvorstand des Paragraph 13 e.V. tätig, der in Potsdam für die Schulsozialarbeit an Grund- und Förderschulen verantwortlich ist, ich streite mich als gewähltes Mitglied des Migrantenbeirates mit der Ausländerbehörde herum, ich arbeite im Landesvorstand der VVN – BdA (Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten) mit – und ganz besonders gern trainiere ich ein Fußballjugendteam beim SV Concordia Nowawes 06.
Am 23.09.2018 findet in Potsdam die Oberbürgermeister-Wahl statt. Allenthalben twittern die Kandidat*innen der Parteien Selfies von Stadtfesten, Kranzniederlegungen oder Wirtschaftsbällen. Dazu versprechen sie, sich für dieses und jenes einzusetzen. Zumeist für Dinge, die ihre Parteien bislang im politischen Alltag nicht besonders interessieren.
Als Oberbürgermeister-Kandidat der Potsdamer Wählergruppe DIE aNDERE möchte ich transparent darstellen, was ich im Fall meiner Wahl politisch vorhabe und wie ich es durchsetzen möchte.